Zentraler Blickfang der aktuellen Ausstellung von Herbert Meusburger im "KUNST || Haus 2226" in Lustenau (Millenniumpark, Erdgeschoß von "Baumschlager Erberle Architekten") ist eine Installation aus vierzig skulpturalen Schiffsknoten, von denen ein Teil türkis und der Rest ockerfarben bemalt sind. Diese Formation markiert einen völligen Bruch mit der bisherigen Formalsprache des Bizauers, waren doch seine bisherigen Arbeiten in Stein durchgängig von einer stark architektonisch-konstruktivistischen und abstrakt reduzierten Bauweise geprägt.
Der Rückgriff Meusburgers auf den Knoten als künstlerische Ausdrucksform ist eigentlich dem Schweizer Verein "Kolumination" geschuldet, der 2019 damit begonnen hat, alljährlich auf dem Säntis ein Kolumnen- und Slammer-Treffen durchzuführen. Denn der Koluminationsvorstand hat den Künstler damit beauftragt, einen Award in Form einer Skulptur zu entwickeln, die nun jeweils immer an die beste Kolumnistin oder den besten Kolumnisten aus der DACH-Region (Deutschland, Österreich, Schweiz) vergeben werden soll. Da Kolumnenschreiber in der Regel Probleme der Zeit überspitzt auf den Punkt bringen, erschien Meusburger die Form des Knoten – in Referenz auf den "Gordischen Knoten" - als ideales Symbol dafür. In diesem Jahr findet dieses Kolumnistentreffen übrigens am 23. und 24. Oktober statt.
Der Knoten als künstlerische Ausdrucksform
Herbert Meusburger hat den Knoten sowohl bildhauerisch umgesetzt als auch in Bronze gegossen. Die vierzig Teile in Lustenau hingegen, die er wie ein Muster auf dem Boden ausgelegt hat, sind auf Basis eines ganz neuen Verfahrens von der Firma 3D Wood (3DW) in St. Ulrich im Grödnertal "gedruckt" worden. Wobei ein sehr spezielles, silikonartiges Material zum Einsatz kam. Da jeder dieser Schiffsknoten von Hand mit Acrylfarbe bemalt wurde, sieht jeder ein wenig anders aus. Die Farben (Ocker und Türkis) sind den natürlichen Farben gängiger Schiffstaue nachempfunden.
Die wesentliche Grundqualität eines Knotens besteht darin, etwas zu vereinigen, festzuhalten und damit auch zu bannen, während seine Auflösung eine Freisetzung von Kräften oder eines Wesens bewirkt. Zwar verweist Meusburger mit dieser skulpturalen Anordnung auch auf historische Sinnbildlichkeiten, wie eben etwa den Gordischen Knoten, will aber inhaltlich in erster Linie direkt auf die aktuellen politischen und gesellschaftlichen Prozesse und Umwälzungen anspielen. Denn schaut man sich heute in der Welt um, so scheint sich der Schicksalsknoten der Menschheit immer enger zusammenzuziehen. So wie es immer schwieriger wird, einen Knoten zu lösen, je fester man ihn zugezogen hat, so scheint auch die heutige Welt immer mehr im eigenen Morast zu versinken. Den sprichwörtlichen Knoten der sukzessiven Selbstzerstörung zu lösen, zählt wohl zu den grössten Herausforderungen der Gegenwart.
Zweifelsohne korrespondieren diese Objekte mit allen bisherigen Werken des Bizauer Künstler, die trotz ihres abstrakten Grundtons sämtlich dem übergeordneten Thema "Trennen & Verbinden" subsumiert sind.
Der Rebstock
Meusburger überrascht in Lustenau aber noch mit einer weiteren gegenständlichen Arbeit, nämlich dem 1:1-Abguss eines sechzig Jahre alten Rebstockes aus Perchtoldsdorf bei Wien. Auch hier brachte die Grödner 3DW das spezielle Prototyping-Verfahren zur Herstellung einer Gussform zur Anwendung. Und zwar scannte 3DW den alten Rebstock ein und erstellte im 3D-Druck-Verfahren eine Abformvorlage aus einem silikonartigen Material. Diese Form wiederum bildete für die Bronzegiesserei Krismer Guss in Telfs den Ausgangspunkt, um ein exaktes Abbild des Weinstockes in Bronze zu realisieren. Was die Prägnanz und Perfektion der Umsetzung des Rebstockes in das neue Material anbelangt, so erlangt der Bronzeguss mit dieser Vorgehensmethodik eine neue Qualitätsstufe. Jede kleinste Faser, jede Faltung des Holzes wird aufs Genaueste wiedergegeben. Zwischen Modell und Abbild ist kein Unterschied auszumachen. Es ist eine Materialtransformation höchster Punktgenauigkeit. Durch diese neue Prozesstechnik werden Bronzegüsse von bis zu vier Metern Grösse möglich. Wobei jeglicher Abguss ein Unikat darstellt, da die silikonartigen Formschablonen bei jedem Guss dahinschmelzen.
Neue Steinskulpturen und "Flachware"
Neben diesen skulpturalen Figurationen wartet Meusburger im Haus 2226 zusätzlich mit einundzwanzig brandneuen Steinarbeiten auf, und zwar in Form von dreizehn kleineren Würfelskulpturen und acht Stelen. Bei allen diesen Arbeiten bildet Serpentin (Tauerngrün) das Grundmaterial, das dann mit Granit oder Kalkgestein aus allen Teilen der Welt, von Brasilien bis Afrika, kombiniert wird. Die Schönheit des Materials und die spezielle Oberflächenbehandlung verleihen diesen Arbeiten eine besondere Ästhetik.
Bei den Gemälden, die der Bregenzerwälder präsentiert, stützt er sich wie gewohnt auf Materialien wie Acrylfarbe und Gips, die er mit Spachteln und anderen Hilfsmitteln auf OSB-Platten (oriented structural board) aufträgt. Obwohl der Künstler die Acrylfarbe dann in vielen Schichten und Gesten anbringt, sind die "Gemälde" von feinen, dichten Strukturen geprägt, da er die den OSB-Platten eingeschriebenen Maserungen mit Hilfe von Kaltnadelradier-Werkzeug wieder freilegt. Formal erinnern diese "Einschreibungen" in gewissem Sinne auch an übereinandergelagerte Halme von Stroh und Heu oder Steinkrusten.
Neu im Werkkosmos von Herbert Meusburger sind auch sogenannte "Frottagen" (von frz. "frotter", reiben), die er mit zeichnerischen Eingriffen überlagert. Materialspezifisch verwendet der Bizauer Künstler dafür Nepalpapier, welches er auf Alltagsgegenstände auflegt und dann mit Kohlestift die dem Objekt innewohnende Struktur durch Abrieb auf das Papier überträgt. Die solcherart erzeugten "Kohle-Transformationen" weisen formal einen überaus reduzierten, ornamentalen Bildcharakter auf, sind aber gleichwohl schon aufgrund des Ausgangsgegenstandes inhaltlich stark aufgeladen.
Herbert Meusburger: Neue Arbeiten
KUNST || Haus 2226, Baumschlager Eberle Architekten, Millenniumpark Lustenau
25.9.-10.3.2021
www.herbertmeusburger.at